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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 13.08.2009
Aktenzeichen: 1 S 223/09
Rechtsgebiete: AufenthG
Vorschriften:
AufenthG § 2 Abs. 3 | |
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1 | |
AufenthG § 28 Abs. 2 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss
OVG: 1 S 223/09
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Göbel, Prof. Alexy und Dr. Bauer am 13.08.2009 beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 4. Kammer - vom 29.06.2009 wird aufgehoben.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren erster Instanz bewilligt; ihm wird Rechtsanwalt W. zur Vertretung beigeordnet.
Gründe:
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Rechtssache hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Erteilung der Niederlassungsvoraussetzung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG davon abhängt, dass der Lebensunterhalt des Klägers gesichert ist. Das entspricht nicht nur der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 17.12.2007 - 1 S 497/07) und anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NordrheinWestfalen, Beschl. v. 06.07.2006 - 18 E 1500/05 - InfAuslR 2006, 407), sondern auch der - soweit ersichtlich - einhelligen Auffassung in der Literatur (Eberle, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, Rn 39 zu § 28; Hailbronner, Ausländerrecht, Rn 27 zu § 28 AufenthG <Stand Februar 2008>; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rn 738; Marx, in: GK-AufenthG, Rn 245 zu § 28; Oberhäuser, in: Hk-AuslR, 2008, Rn 37 zu § 28). Die gegenteilige Auffassung des Klägers vermag nicht zu überzeugen. Einer Auseinandersetzung mit ihr bedarf es hier nicht, weil der Lebensunterhalt des Klägers als gesichert erscheint. Der gemeinsame Bedarf des Klägers und seiner Ehefrau werden durch beider Einkommen gedeckt.
Zunächst ist der Bedarf des Klägers und seiner Ehefrau zu korrigieren, weil die monatliche Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Zeit ab 01.07.2009 auf 359,00 Euro angehoben worden ist (BGBl. I S. 1342). Daraus ergibt sich ein Bedarf von 646,20 (Regelsätze) + 432,00 (Kosten der Unterkunft) = 1.078,20 Euro.
Bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens ist in die Berechnung einzustellen, dass die Ausbildungsvergütung des Klägers inzwischen 585,00 Euro beträgt. Hinzu kommt das monatliche Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung von mindestens 46,00, höchsten 184,00 Euro. Hier hat das Verwaltungsgericht den Höchstbetrag berücksichtigt; zu Ungunsten des Klägers mag insoweit nur von dem Mindestbetrag auszugehen sein. Nach der näher begründeten Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht zumindest Einiges dafür, dass auch die Ausbildungsbeihilfe des Klägers nach §§ 59ff. SGB II in Höhe von 135,00 Euro zu berücksichtigen ist (in diesem Sinne jetzt auch Ziff. 2.3.1.4 des von der Bundesregierung beschlossenen Entwurfs der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, BR-Drs 669/09, S. 19). Daraus ergibt sich ein Bruttoeinkommen des Klägers von 585,00 + 46,00 + 135,00 = 768,00 Euro. Als Einkommen der Ehefrau ist zunächst das Kindergeld von 154,00 Euro zu berücksichtigen. Das Einkommen der Ehefrau aus einer neuerdings aufgenommenen Nebentätigkeit in Höhe von 150,00 Euro, das erstmals mit der Beschwerde vorgetragen wird, mag unberücksichtigt bleiben, weil es bisher nicht belegt ist. Zu berücksichtigen ist aber entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die Ausbildungsförderung nach dem BAföG in Höhe von 525,52 Euro.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, BAföG-Leistungen könnten nur berücksichtigt werden, wenn sie für den Ausländer selbst bestimmt sind, um seinen Aufenthalt zum Studium im Bundesgebiet zu ermöglichen (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG), nicht aber, wenn sie der deutsche Ehegatte erhalte, weil dessen Aufenthalt auch ohne diese Leistungen möglich sei, wird Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen nicht gerecht. Mit dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts als Regelvoraussetzung für einen Aufenthaltstitel soll die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel als Folge der Erteilung eines Aufenthaltstitels verhindert werden (vgl. BT-Drs 15/420, S. 70). Der Anspruch des deutschen Ehegatten auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG besteht aber unabhängig davon, ob der ausländische Ehegatte einen Aufenthaltstitel zum Familiennachzug erhält oder nicht; er kann sich als Folge eines Ehegattennachzugs allenfalls vermindern. Die Ehefrau des Klägers würde auch dann Ausbildungsförderung beziehen, wenn sie nicht mit dem Kläger in ehelicher Lebensgemeinschaft leben würde. Den Aufenthaltstitel des Klägers von der Sicherung des Lebensunterhalts der Eheleute ohne Leistungen nach dem BAföG abhängig zu machen, würde also bedeuten, von dem Ehemann zusätzliche Leistungen zur Entlastung öffentlicher Kassen zu verlangen, zu der es sonst nicht käme. Die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis ist deshalb ungeeignet, das Ziel der gesetzlichen Regelung zu erreichen, und daher nicht gerechtfertigt (ebenso für Leistungen nach dem SGB II: BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.05.2007 - 2 BvR 2483/06 - <juris>, Rn 25).
Unter Einbeziehung der BaföG-Leistungen an die Ehefrau verfügen der Kläger und seine Ehefrau über ein Bruttoeinkommen von 768,00 + 525,52 = 1.447,52 Euro. Davon sind die in § 11 Abs. 2 SGB II genannten Beträge abzuziehen (BVerwG, Urt. v. 26.08.2008 - 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 = NVwZ 2009, 248, Rn 19). Wie sich aus der Abrechnung der Ausbildungsvergütung für Juni 2009 ergibt, werden dem Kläger monatlich 122,42 Euro an Sozialabgaben abgezogen; ein Lohnsteuerabzug findet nicht statt. Der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 30 SGB II ist mit 97,00 Euro anzusetzen. Dementsprechend vermindert sich das Einkommen auf 1.228,10 Euro. Dieser Betrag - der sich aller Voraussicht nach durch die Nebenverdienste des Klägers und seiner Ehefrau noch erhöht - liegt damit deutlich über dem Bedarf von 1.078,20 Euro.
Die Entscheidung über die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten beruht auf § 166 VwGO i.V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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